Die Finanzierung politischer Kampagnen erlebt in Europa einen Wandel. Was in den USA bereits seit Jahren etabliert ist, findet nun auch seinen Weg in die europäische Politik: das Crowdfunding. Mit kleinen Spenden vieler Bürger lassen sich nicht nur Wahlkämpfe finanzieren, sondern auch neue Formen der demokratischen Teilhabe schaffen.
Vorreiter aus Portugal
António Costa, Bürgermeister von Lissabon seit 2007, gilt als europäischer Pionier des politischen Crowdfundings. Über die portugiesische Plattform PPL sammelte der Politiker der Sozialistischen Partei 3.500 Euro für ein ungewöhnliches Projekt: ein Video, das Jugendlichen die Bedeutung des Wählens vermitteln sollte.
Das Konzept ging auf. Innerhalb weniger Wochen spendeten Bürger zwischen zwei und 350 Euro, im Durchschnitt 42 Euro pro Person. Bereits zwei Monate vor der Wahl am 29. September war das Finanzierungsziel erreicht. Dabei mussten strenge rechtliche Auflagen erfüllt werden: Nur klar identifizierbare Privatpersonen durften spenden, Unternehmen waren ausgeschlossen.
Mehr als nur Geld sammeln
Für Costa stand die reine Finanzierung vermutlich nicht im Vordergrund – 3.500 Euro sind selbst im portugiesischen Wahlkampf eine überschaubare Summe. Vielmehr nutzte er das Crowdfunding als direkten Draht zu jungen Wählern, einer Gruppe, die besonders unter der Wirtschaftskrise litt und der Politik zunehmend entfremdet war. Die Aktion verschaffte ihm den Ruf eines bürgernaben Politikers, der auf die Jugend hört.
Der Erfolg gab ihm recht: Costa wurde mit über 50 Prozent der Stimmen als Bürgermeister bestätigt.
Potenzial für Deutschland
Auch in Deutschland wäre politisches Crowdfunding theoretisch möglich. Parteispenden sind grundsätzlich in jeder Höhe erlaubt, bis 500 Euro sogar anonym. Spenden ab 50.000 Euro müssen dem Bundestagspräsidenten gemeldet und veröffentlicht werden. Rechtlich ungeklärt ist allerdings, ob der Umweg über Crowdfunding-Plattformen zulässig wäre.
Die Chancen für die Demokratie sind dennoch beachtlich: Politiker könnten gezielt um zweckgebundene Mittel für kreative Kampagnenelemente werben – von Wahlkampfsongs bis hin zu innovativen Videos. Dies könnte Bürger stärker in politische Prozesse einbinden und der weitverbreiteten Politikverdrossenheit entgegenwirken.
Ein demokratisches Experiment
Politisches Crowdfunding bietet die Möglichkeit, die Kluft zwischen Bürgern und Politik zu verkleinern. Durch kleine, zweckgebundene Spenden können sich Menschen direkter an politischen Kampagnen beteiligen und gleichzeitig Transparenz schaffen. Ob sich dieses Modell in Europa durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. António Costas Erfolg in Lissabon zeigt jedoch: Auch kleine Spenden können große Wirkung entfalten – getreu dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“.