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Schweizer JournalismusTag 2013: Das Event im Liveblog

Der 6. November 2013 stand ganz im Zeichen des Journalismus: An der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur versammelten sich über 200 Medienschaffende, Wissenschaftler und Studierende zum JournalismusTag 2013. Ein Tag voller intensiver Diskussionen über die Zukunft einer Branche im Wandel.

Ein Beruf zwischen Krise und Leidenschaft

Die Veranstaltung begann mit einer ernüchternden Erkenntnis: Laut aktuellen Umfragen ist Journalismus der unbeliebteste Beruf – noch nach Soldat und Holzfäller. Dennoch sprach Jean-Martin Büttner vom Tages-Anzeiger in seinem Vortrag „Warum der schlechteste Beruf der beste ist“ mit brennender Leidenschaft über seinen Beruf: „Ich habe mich nicht einen Tag gelangweilt. Was gibt es denn Schöneres?“

Datenjournalismus: Mehr als nur Zahlen

Julian Schmidli, einer der „30 unter 30“ der Schweiz, sorgte mit seinem provokanten Statement für Aufmerksamkeit: „Datenjournalismus wird sich am Ende nicht durchsetzen – weil er bald nur noch Journalismus heißen wird.“ Seine Botschaft war klar: Daten zu haben ist eine Sache, aber es liegt an den Journalisten, die Geschichten darin zu finden. Mit seinem Projekt unfallkarte.ch demonstrierte er, wie moderne Datenauswertung funktioniert.

Offshore Leaks: Ethische Grenzen des Journalismus

Eine der intensivsten Diskussionen entspann sich um die Offshore-Leaks-Enthüllungen. Oliver Zihlmann von der Sonntagszeitung und Rainer Stadler von der NZZ debattierten kontrovers über die Grenzen investigativer Recherche. Während Zihlmann die Aufdeckung von Beziehungsgeflechten als journalistische Pflicht sah, warnte Stadler vor Verletzungen der Persönlichkeitsrechte. Die Frage nach der Legitimität von Datenjournalismus und dem Umgang mit sensiblen Informationen blieb offen.

Frauen im Journalismus: Glashaus-Debatte

Ein weiterer Schwerpunkt war die Situation von Frauen in der Medienbranche. Unter dem Titel „Medien-Frauen im Glashaus“ diskutierten erfolgreiche Journalistinnen wie Simone Meier, Colette Gradwohl und Larissa Bieler über Karrierechancen und Gehaltsunterschiede. Ein zentrales Thema: Männer gingen in Gehaltsverhandlungen rücksichtsloser vor und erzielten bessere Abschlüsse. Die Tages-Anzeiger-Redaktion hatte sich mit der Stauffacher-Deklaration selbst eine Quote von 30% Frauenanteil bis 2016 auferlegt.

Social Media: Revolution der Interaktion

Konrad Weber vom SRF, der als sympathischer 24-Jähriger bereits schweizweit bekannt war, identifizierte fünf Stufen der Nutzerinteraktion in Online-Medien – von einfacher Nutzerinteraktion bis hin zur vollständigen Integration der Community in die Programmgestaltung. Seine Kernbotschaft: „Wirkliche Interaktion ist nur live möglich.“

Qualitätsforschung: Wissenschaft trifft Praxis

Marc Eisenegger von der Uni Zürich brachte die Spannungen zwischen Wissenschaft und Praxis auf den Punkt: „Die Medienwissenschaft hat einen normativen Qualitätsbegriff, die Praxis oft einen marktrelativistischen Qualitätsbegriff.“ Seine Studien bestätigten, was viele bereits ahnten: Online gibt es mehr Soft-News und weniger journalistische Eigenleistung.

Medienkritik und Selbstregulierung

Colin Porlezza von der City University London stellte der Schweiz in Sachen Medienregulierung ein gutes Zeugnis aus. Problematisch sah er jedoch die schwache Institutionalisierung des Medienjournalismus: Nur die NZZ führt noch eine eigene Medienseite, dazu kommen ein oder zwei Fachpublikationen. Dennoch funktionieren andere Selbstregulierungsinstrumente wie der Presserat oder das „Jahrbuch Qualität“ erfolgreich.

Blick in die Zukunft

Daniel Binswanger vom Tages-Anzeiger-Magazin fasste die Lage treffend zusammen: „Wir leben in einer Phase der Selbstzermürbung. Die Lage des Journalismus war wohl noch nie so unsicher wie heute.“ Dennoch gab es auch Hoffnungsschimmer: Private Investoren zeigten Interesse, und Hansi Voigt, ehemaliger 20-Minuten-Chefredakteur, kündigte für März 2014 sein neues Projekt „WatsonNews“ an.

Fazit: Aufbruch statt Abbruch

Die Abschlussdiskussion unter dem Motto „Aufbruch statt Abbruch, aber wie?“ zeigte die Ambivalenz der Branche. Kurt Imhof warnte: „Der Markt sorgt nicht für Vielfalt, sondern für Einfalt.“ Dem hielt Hansi Voigt entgegen: „Unser Auftrag als Medienschaffende ist, eine Gemeinsamkeit des Interesses zu schaffen.“

Das Schlusswort gehörte Anita Burri: „Wir sollten uns wieder mehr auf die Arbeit konzentrieren, als darüber zu debattieren!“ Ein Appell, der nach neun Stunden intensiver Diskussion durchaus berechtigt erschien.

Der JournalismusTag 2013 zeigte eine Branche im Umbruch – zwischen technologischen Möglichkeiten und ethischen Grenzen, zwischen Qualitätsanspruch und Marktdruck, zwischen Tradition und Innovation. Die Herausforderungen sind gewaltig, aber die Leidenschaft der Beteiligten für ihren Beruf bleibt ungebrochen.